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Wüstenenergie Sahara soll Europa unter Strom setzen

Windkraftwerke an der Küste Westafrikas könnten Europas Energieprobleme lösen, glauben Experten. Der Saft aus der Wüste wäre Berechnungen zufolge sogar günstiger als deutscher Öko-Strom.
Von Hans-Arthur Marsiske

Woher kommt der umweltfreundliche Strom, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? Skeptiker und Gegner erneuerbarer Energien werden nicht müde, diese Frage zu wiederholen. Khalid Benhamou hat darauf eine klare Antwort: aus der Sahara.

Dort, sagt der Marokkaner, der in Rabat das "Saharawind"-Projekt betreibt, gibt es Wind genug. Sonne natürlich auch, aber die Technik zu deren Nutzung ist noch nicht weit genug entwickelt, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein. Der Wind dagegen könnte schon mit der vorhandenen Technik in Strom umgewandelt und zu gängigen Marktpreisen nach Europa transportiert werden.

An der Westseite der Sahara ließen sich, so Benhamou, etwa 2000 Kilometer Küste mit Windkraftanlagen bebauen. Bei einer Leistungsdichte von 2,4 Megawatt pro Quadratkilometer, rechnet er vor, könnten mehr als 1000 Terawattstunden pro Jahr erzeugt werden - genug, um etwa die Hälfte des europäischen Strombedarfs zu decken. Eine 4500 Kilometer lange Hochspannungsgleichstromleitung könnte die Sahara-Energie ohne allzu große Verluste bis nach Deutschland transportieren. So ließe sich der Windstrom aus Mauretanien und Südmarokko in Mitteleuropa zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten, glaubt Benhamou.

Gregor Czisch vom Institut für Solare Energieversorgungstechnik an der Universität Kassel bestätigt diese Schätzung. Seine Kalkulation ergibt Kosten von 4,5 Cent pro Kilowattstunde für den in der Sahara produzierten und nach Deutschland transportierten Strom. Dem stehen 6,5 Cent für Windstrom gegenüber, der vor Ort in Deutschland erzeugt wird.

Joachim Nitsch vom Institut für technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ist dagegen etwas vorsichtiger: "Ob der hierher transportierte Strom wirklich günstiger ist als der Windstrom von Offshore-Anlagen in der Nordsee, lässt sich so genau nicht sagen." Es sei aber "vorstellbar, dass die Sahara eines Tages der Energielieferant der Welt wird, so wie heute Saudi-Arabien".

Ein Vorzug des Szenarios liegt in jedem Fall darin, dass es sich Stück für Stück realisieren lässt. Den Anfang könnte ein Windpark in Südmarokko machen, um politischen Streitigkeiten über den Status des angrenzenden Westsahara-Gebiets aus dem Weg zu gehen. Aufgrund der Passatwinde sind die südlicheren Küstenabschnitte zwar interessanter. Aber schon in Südmarokko, in der Gegend um Tarfaya, ließen sich fünf Gigawatt Windstrom erzeugen, sagt Benhamou. Durch eine 1300 Kilometer lange Leitung soll die Wüstenenergie zunächst nach Spanien gelangen.

"Dieser Strom könnte deutlich günstiger sein als der in Spanien produzierte Windstrom", bestätigt Czisch. "Die Leitungen könnten Stück für Stück bis nach Deutschland verlängert und ausgebaut werden, mit Anzapfstationen, die auf dem Weg Leistung abzweigen, und sich zu einem Ringsystem oder auch zu einem Netz entwickeln.“ Nach und nach könnten auch in Nordafrika weitere Anlagen angeschlossen werden, solarthermische Kraftwerke zum Beispiel, die die Sonnenstrahlung konzentrieren und mit dieser Hitze Turbinen antreiben.

Initiativen zur Realisierung der Idee kommen bislang aber nur sehr verhalten in Gang. Für Czisch liegt die Hauptverantwortung dafür bei der Politik. "Jedenfalls fehlt es nicht an den technischen Möglichkeiten", sagt er. "Erfahrungen mit einem leistungsstarken länderübergreifenden Stromtransport liegen weltweit vor und sind auch in Afrika zu finden."

Benhamou verweist auf Erdgaspipelines als Beispiele für erfolgreiche Kooperationen unterschiedlicher Partner - zum Beispiel die deutsch-russische Erdgasleitung. Und nicht zuletzt sieht der Marokkaner in dem Versuch, Energie in der Wüste zu gewinnen, "die Möglichkeit einer neuen Form von Entwicklungspolitik". Von der Zusammenarbeit könnten, so hofft Benhamou, Europäer wie Nordafrikaner profitieren: Das Projekt "Saharawind" sei eine "Win-Win-Situation für alle".

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