Projekt Desertec:Schatten vor der Sonne

Brandbrief an Kabinettsmitglieder und Topmanager: Die Desertec-Initiative klagt über mangelnde Unterstützung durch die Bundesregierung.

Markus Balser

So grün war die deutsche Politik selten: Als vor gut einem Jahr Pläne für das Wüstenstromprojekt Desertec die Runde machten, war die Bundesregierung elektrisiert. Gerne umgeben sich Spitzenpolitiker seither mit Repräsentanten des Milliardenvorhabens. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war begeistert, der Koalitionspartner FDP warb im Wahlkampf damit. Er sichere den Desertec-Vertretern deutsche Unterstützung zu, verkündete Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).

Projekt Desertec: Längst fragen sich Mitglieder der Desertec-Gesellschaft, wie ernst es die Politik mit ihren Bekenntnissen eigentlich meint. Im Bild: Solaranlage in der Wüste Negev in Israel.

Längst fragen sich Mitglieder der Desertec-Gesellschaft, wie ernst es die Politik mit ihren Bekenntnissen eigentlich meint. Im Bild: Solaranlage in der Wüste Negev in Israel.

(Foto: AP)

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) gilt mit seinem ökostromfreundlichen Kurs ohnehin als Befürworter des Projekts. Doch längst fragen sich Mitglieder der Desertec-Gesellschaft, wie ernst es die Politik mit ihren Bekenntnissen eigentlich meint.

Denn in den jüngst veröffentlichten Plänen Berlins zum Ausbau erneuerbarer Energien taucht das Wüstenstromprojekt nicht mehr auf, obwohl schon in wenigen Jahren erste Kraftwerke im Norden Afrikas Strom nach Europa liefern könnten. Ernüchtert schickte Desertec-Chef Paul van Son nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Mitte August einen Brandbrief an Kabinettsmitglieder und Topmanager in Deutschland.

Neben Merkel, Brüderle und Röttgen, bekamen unter anderem auch Außenminister Guido Westerwelle und die Chefs der am Desertec-Konsortium beteiligten deutschen Großkonzerne wie Eon, RWE oder Siemens Post aus der Zentrale des Großprojekts in München.

Das Schreiben ist wohl eine eindringliche Mahnung, im Milliardenprojekt die Fäden nicht fahrlässig aus der Hand zu geben. Diplomatisch verpackt warnt van Son davor, dass Deutschland drohe, seine Vorreiterrolle zu verlieren und ökonomische Chancen zu verspielen, wenn Berlin das Projekt nicht engagierter vorantreibe.

Der Koalitionsvertrag der schwarz- gelben Regierung aus dem Jahr 2009 habe sich noch eindeutig unterstützend zum Vorhaben geäußert, schreibt van Son. Der gerade vorgelegte Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energie von Anfang August, der Vorgaben für die Energiepolitik bis 2020 liefert, sei aber "leider eher zurückhaltend".

Die Konkurrenz wächst

Es sei nun "unbedingt erforderlich", Desertec in das Energiekonzept 2050 einzubinden, das die Bundesregierung noch im September vorlegen will. Das Konzept soll einen Rahmen für die Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte liefern.

Doch bislang sei äußerst fraglich, ob Desertec darin überhaupt vorkomme, verlautet aus Kreisen des Konsortiums. Die Bundesministerien für Umwelt und Wirtschaft wollten sich am Donnerstag nicht zu den Angaben äußern. Für Desertec wäre das ein herber Rückschlag. Denn längst sind internationale Konkurrenzprojekte angestoßen.

Vor allem Frankreich prescht mit politischer Unterstützung voran. "Französische Unternehmen haben unter der Leitung des staatlich geführten Stromkonzerns EDF ein eigenes, sehr vergleichbares Industriekonsortium namens Transgreen gegründet", warnt der Desertec-Chef in dem Schreiben. Dies dokumentiere, dass das internationale Interesse an der Erschließung erneuerbarer Energien in der Mittelmeerregion sehr groß sei.

Im Klartext: Die Konkurrenz wächst. Auch die beteiligten deutschen Großunternehmen sind deshalb alarmiert und erhöhen den Druck auf die Bundesregierung: "Wir gehen davon aus, dass der mögliche Beitrag von erneuerbaren Energien aus der Region Nordafrika und Mittlerer Osten im bis 2050 reichenden Energiekonzept berücksichtigt wird", heißt es aus der Zentrale eines Großkonzerns.

"Schließlich bietet kein anderes Projekt vergleichbare Chancen."

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